12. Juli 2023
110 Meter hoch ragt das Windrad im Windpark Gütersloh über die Landschaft. Normalerweise drehen sich die Rotorblätter gemächlich im Wind. Dabei wird Bewegungsenergie in elektrische Energie umgewandelt und ins Stromnetz eingespeist. An diesem Sommertag steht das Windrad still - aus einem wichtigen Grund: Die Stadtwerke Gütersloh haben ihr Windrad für eine besondere Höhenrettungsübung der Berufsfeuerwehr Gütersloh geöffnet.
Regelmäßige Prüfung und Wartung im Inneren der Windkraftanlage notwendig
Die Stadtwerke Gütersloh sind an insgesamt elf Windkraftanlagen in den Windparks Gütersloh, Hasselbach und Ostwestfalen beteiligt. Zusammen liefern die Anlagen einen Energieertrag von rund 75,7 Gigawattstunden pro Jahr. Dass große Anlagen regelmäßig überprüft werden müssen, liegt auf der Hand. Die Mitarbeiter der Stadtwerke Gütersloh sind für die Begehung und technische Kontrolle speziell geschult. Darüber hinaus warten und reparieren Spezialisten-Teams der Anlagenhersteller die Erzeugungsanlagen. Wie bei jeder technischen Anlage besteht auch hier die Gefahr von Unfällen oder medizinischen Notfällen. „Zum Glück ist in den von uns betreuten Windenergieanlagen noch nie etwas passiert“, betonen Francisco Lopez Sommer und Anika Warning aus dem Bereich Energieerzeugung der Stadtwerke Gütersloh. Wie aber muss gehandelt werden, wenn es in einem Windrad zu einem Notfalleinsatz kommt? Das trainieren an diesem Vormittag die Höhenretter der Berufsfeuerwehr Gütersloh.
Kein einfacher Einsatz: Jede Minute zählt
Wie funktionieren der Aufstieg und der Aufzug, wie viel Platz ist oben in der Gondel? Welcher Weg ist geeignet, um eine verletzte Person zu retten, und welches Material wird dafür benötigt? Im Ernstfall zählt jede Minute, deshalb suchen die Fachleute der Stadtwerke Gütersloh und Markus Hahne, Leiter der Höhenrettungseinheit bei der Berufsfeuerwehr Gütersloh, nach Antworten auf diese Fragen. „Wir probieren aus, testen und evaluieren“, erklärt Hahne. Gemeinsam mit seinem zwölfköpfigen Team aus Höhenrettern trainiert er nicht das erste Mal in einer Windanlage, aber das erste Mal in einem Gütersloher Windrad und in dieser Höhe. „Für uns ist die Übung ein Lernprozess, der uns hilft, einen ersten Standardablauf zu etablieren.“ Denn ein Einsatz in einem Windrad hat auch für die Experten eine ganz neue Dimension. „Die meisten unserer Höhenrettungseinsätze finden normalerweise in 30 bis 40 Metern Höhe statt“, berichtet Hahne. Auch das Wetter und die Außentemperatur beeinflussen die Arbeit der Spezialisten.
Wie im Ernstfall: Abseilen aus 110 Metern Höhe
Schnell wird klar: Der Aufzug in der Windkraftanlage braucht etwa 10 Minuten bis nach oben. Zu Fuß dauert es selbst bei guter Kondition fast genauso lange. In dem engen Turm können die schweren Einsatzmaterialien also nicht nach oben transportiert werden. Und oben ist nur Platz für wenige Personen. Durch eine Bodenluke im Heck der Gondel lassen die Höhenretter deshalb die Kette des Bordkrans am Turm ab. So wird das Material, das zuvor anhand einer Packliste zusammengestellt wurde, nach oben transportiert. Dort testen die Experten, wo und wie eine verletzte Person am besten versorgt und anschließend geborgen werden kann. Schließlich seilen sich die Höhenretter aus der Gondel über zwei Kernmantelseile 110 Meter am Turm entlang ab. Auch hier wird jeder Schritt kontrolliert: Passen Anschlagpunkte und Abseilgeschwindigkeit, welchen Einfluss haben Wetter und Wind? Im zweiten Durchgang wird auch ein Patiententransport mit Trage geprobt. Dazu wird der Patient in der Spezialtrage erst senkrecht durch die Bodenluke durchgeführt, um anschließend mit einem Begleiter abgeseilt werden zu können, im Aufzug wäre dafür zu wenig Platz.
Am Ende der Übung sind sowohl Francisco Lopez Sommer und Anika Warning als auch Markus Hahne und sein Spezialisten-Team zufrieden. Anschließend werden die Erfahrungen ausgewertet und ausgetauscht. Damit im Ernstfall schnell und sicher gehandelt werden kann.